Krebs in den Kantonen der Zentralschweiz 2020–2022 – Darmkrebsvorsorgeprogramm Kanton Luzern

"Darmkrebsvorsorge ist einfach, sicher, effizient und sinnvoll"

Interview mit Patrick Aepli, Chefarzt Gastroenterologie LUKS und medizinischer Leiter Luzerner Darmkrebsvorsorgeprogramm

Herr Aepli, Ist Darmkrebs heilbar? Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Darmkrebs ist glücklicherweise in vielen Fällen heilbar, insbesondere wenn der Tumor frühzeitig erkannt und behandelt wird. Die Heilungsaussichten hängen aber von verschiedenen Faktoren ab: In welchem Stadium befindet sich der Tumor zum Zeitpunkt der Diagnose? Wie aggressiv ist er? Haben sich bereits Metastasen ("Ableger") gebildet? Wie ist der allgemeine Gesundheitszustand des/der Erkrankten?

In den Frühstadien, solange der Tumor auf den Darm begrenzt ist und noch keine Ableger gebildet hat, genügt oft eine Operation zur Heilung. In späteren Stadien ist eine langfristige Heilung seltener, besonders wenn Ableger auf Organen wie der Leber oder der Lunge festgestellt werden müssen. Neben der Operation erfolgt hier die Behandlung durch Chemo-, Strahlen- und/oder Immuntherapie.

Prognose und Behandlungserfolg hängen stets auch davon ab, wie gut der Tumor respektive der/die Patient/in auf die jeweilige Therapie anspricht. Das Vorgehen ist in jedem Fall individuell. Es wird jeweils vom zuständigen interdisziplinären Team (z.B. anlässlich eines Tumorboards) in Absprache mit dem/der Patienten/-in und den Angehörigen festgelegt.

Warum ist Darmkrebsvorsorge so wichtig?
Weil Darmkrebs weltweit eine der häufigsten Krebserkrankungen ist und eine hohe Sterblichkeitsrate aufweist. In der Schweiz wird 1 von 20 Personen früher oder später mit dieser Diagnose konfrontiert, und 10 Prozent der Krebstodesfälle sind durch Darmkrebs bedingt. Die Vorsorge trägt dazu bei, den Krebs (oder noch besser schon dessen Vorläuferstufen im Sinn von Polypen) zu entdecken, wenn er sich nicht bereits in andere Organe ausgebreitet hat. Denn frühzeitig erkannt, ist der Darmkrebs in vielen Fällen erfolgreich zu behandeln und heilbar. Die Vorsorge halbiert die Häufigkeit und die Sterblichkeit von Darmkrebs, wie fundierte Daten aus den USA zeigen. Und dank ihr wird Darmkrebs zu 70 Prozent in Frühstadien entdeckt.

Seit wann sind Darmkrebsvorsorgeprogramme (DVP) in der Zentralschweiz aktiv? Und wo?
Im Kanton Luzern ist das DVP im Oktober 2022 eingeführt worden. In der Zentralschweiz bieten damit nun Luzern und Uri ein systematisches DVP an. Im Kanton Uri ist es aber nichts Neues; da kennt man das Programm schon seit über 10 Jahren! Uri nimmt hier aufgrund der Arbeit von Prof. Dr. med. Urs Marbet schweizweit eine Pionierrolle ein.

Wer eignet sich besonders für eine Teilnahme am DVP?
An Darmkrebs erkranken auch Menschen ohne jegliche Risikofaktoren. Deshalb ist eine regelmässige Vorsorgeuntersuchung bei allen Frauen und Männern im Alter ab 50 Jahren zu empfehlen. Bei Personen mit einem erhöhten Risiko lohnt sich die Vorsorge allenfalls bereits früher.

Bei wem besteht ein erhöhtes Risiko, an Darmkrebs zu erkranken?
Es gibt verschiedene Faktoren, die das Darmkrebsrisiko erhöhen. Aber nicht auf alle haben wir Einfluss. Der Hauptrisikofaktor ist das Alter: Das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken steigt im Alter ab 50 Jahren deutlich an. Eine familiäre Vorbelastung (v.a. erstgradige Verwandte mit Darmkrebs) erhöht das Risiko ebenso wie bereits entfernte Polypen (Krebsvorstufen) in der Vergangenheit. Beeinflussen können wir folgende Risikofaktoren: ungesunde Ernährung (viel rotes und verarbeitetes Fleisch, wenig Ballaststoffe, wenig Obst und Gemüse), Übergewicht und Bewegungsmangel (Adipositas, Diabetes) sowie Rauchen oder Alkohol.

Welche Untersuchungsmethoden kommen im DVP zur Anwendung?
Beim DVP stehen zwei Vorsorgeuntersuchungsmethoden im Fokus: Die Darmspiegelung (Koloskopie) und der Blut-im-Stuhl-Test (FIT). Mit der Darmspiegelung lassen sich sogenannte Polypen im Darm einerseits entdecken, und anderseits werden sie anlässlich dieser Untersuchung auch gerade entfernt. Polypen sind gutartige Vorläuferläsionen aus denen sich über die Jahre bösartige Darmkrebs-Tumoren entwickeln können. Die Vorsorgeuntersuchung kann aber nicht nur mittels Koloskopie, sondern auch mittels sogenanntem Blut-im-Stuhl-Test durchgeführt werden. Dieser ist alle zwei Jahre zu wiederholen. Wenn minimale, von Auge meist nicht sichtbare Mengen von Blut im Stuhl nachgewiesen werden, drängt sich eine anschliessende Darmspiegelung auf. Die Koloskopie ist nur alle zehn Jahre notwendig, benötigt jedoch eine gewisse Vorbereitung ("Abführen"). Auch ist sie personal- und kostenintensiver als der FIT. Aufgrund der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse testet man Personen mit niedrigem Risiko am besten primär mittels FIT und Personen mit hohem Risiko primär mittels Darmspiegelung.

Wie kann ich als Luzerner/in am DVP teilnehmen? Wie werden die Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt?
Am Luzerner DVP kann die Luzerner Wohnbevölkerung im Alter zwischen 50 und 69 Jahren teilnehmen, sofern in den letzten zehn Jahren nicht bereits eine Darmspiegelung vorgenommen worden ist. Eine Anmeldung ist entweder über akkreditierte Leistungserbringer wie Hausarzt-, Gynäkologie-, Gastroenterologie-Praxen oder Apotheken möglich, aber auch online über die DVP-LU Homepage. Über die kommenden zwei bis drei Jahre werden zudem gestaffelt alle 50- bis 69-jährigen Luzerner/innen per Post persönlich eingeladen, am DVP teilzunehmen. Jede Person, die teilnehmen möchte, entscheidet selbst, ob die Vorsorgeuntersuchung mittels FIT oder mittels Koloskopie durchgeführt werden soll.

Wie viele Personen haben inzwischen am DVP teilgenommen? Und welche Untersuchungsmethode wird häufiger gewählt?
Bis am Stichtag des 30. September 2023, also exakt ein Jahr nach der Einführung des Luzerner DVP, sind 28'772 Personen angeschrieben worden. 6'717 Personen haben sich für das DVP entschieden; 1'930 Personen wählten den FIT und 4'787 die Koloskopie. Aktuell entscheiden sich also gut 70 Prozent der Teilnehmenden für die Darmspiegelung.

Wie überprüfen Sie, ob sich das DVP positiv auswirkt (Monitoring)? Wie viele Krebsfälle wurden so gefunden?
Die Datenerfassung vom ersten Jahr ist noch nicht abgeschlossen, daher kann ich diese Antwort leider noch nicht beantworten. Es ist aber wichtig, sich nicht nur auf die Krebsfälle zu beschränken. Bei 1'649 Personen (57%) konnten im Rahmen einer Darmspiegelung Polypen entfernt werden, welche sich über die Jahre zu Krebs hätten entwickeln können. Über die kommenden Jahre und Jahrzehnte wird sich die Wirksamkeit des DVP hoffentlich dadurch zeigen, dass Inzidenz und Mortalität von Darmkrebs in der Luzerner Bevölkerung abnehmen. Aktuell ist es aber noch viel zu früh, um dazu Stellung nehmen zu können.

Kontakt

Agnes Zwimpfer

E-Mail: agnes.zwimpfer@lustat.ch

Telefon: +41 41 228 73 26

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