Regionale Disparitäten 2020

Sozialräumliche Unterschiede im Kanton Luzern

Sowohl materielle als auch immaterielle Ressourcen sind in einer Gesellschaft unterschiedlich verteilt. Sozialräumliche Unterschiede entstehen durch die räumliche Entmischung der Bevölkerung. Bei diesen Prozessen können zum Beispiel demografische Entwicklungen, soziale Netzwerke, private finanzielle Ressourcen, das regionale Wohnungsangebot oder auch die Mobilitätsinfrastruktur eine Rolle spielen. Von sozialer Ungleichheit wird gesprochen, wenn die ungleiche Verteilung der Ressourcen mit vorteilhaften respektive nachteiligen Lebensbedingungen einhergeht.

Wie unterscheidet sich die Altersstruktur der Bevölkerung in den Luzerner Regionen und Gemeinden? Welche Unterschiede bestehen bezüglich der Heterogenität der Bevölkerung? Wie verteilt sich Armut und Reichtum? Gibt es regionale Unterschiede bei den Ausbildungspräferenzen der jungen Luzernerinnen und Luzernern? Habe sich die sozialen Unterschiede zwischen den Luzerner Gemeinden und Regionen akzentuiert oder wurden sie kleiner? Um diese und weitere Fragen geht es bei den sozialräumlichen Disparitäten.

Die Beschreibung der thematischen Kennzahlen und ihrer Entwicklungstrends – sei es in die eine oder in die andere Richtung – sagt noch nichts darüber aus, ob die Unterschiede erwünscht sind oder nicht respektive ob Massnahmen dagegen oder dafür ergriffen werden sollen. Die sozialpolitische Einordnung und die Ableitung von politischen Zielsetzungen ist Aufgabe der politischen Auseinandersetzung. Für sie sollen die datenbasierten Erkenntnisse eine wertvolle Grundlage darstellen.

 

Deutliche sozialräumliche Unterschiede zwischen Stadt und Land

Im Kanton Luzern zeigen sich zum Teil sehr akzentuierte sozialräumliche Unterschiede zwischen Stadt und Land. Bei 8 der insgesamt 12 untersuchten Kennzahlen sind die Gemeindewerte im städtischen Raum höher als die Vergleichswerte im intermediären und im ländlichen Raum. Das ist der Fall beim Altersquotient, dem Anteil der Einpersonenhaushalte, der Ausländerquote, dem Anteil der in der Schweiz geborenen Ausländer/innen, der Einbürgerungs-, Armuts- und Sozialhilfequote sowie bei der Übertrittsquote ins Langzeitgymnasium. In der Gesamtbetrachtung zeigt sich ein überlagerndes Raummuster zwischen der Bevölkerungsstruktur und der Armutsbetroffenheit. So ist der Anteil jener Bevölkerungsgruppen, die ein erhöhtes Risiko für den Sozialhilfebezug aufweisen (Alleinerziehende, Alleinlebende, ausländische Staatsangehörige), in urbanen Gemeinden tendenziell grösser als in ländlichen und intermediären Gemeinden. Nur bei der Wahlbeteiligung, der Schülerintensität, beim Übertritt in die berufliche Grundbildung sowie bei der Leerwohnungsziffer weist der ländliche Raum höhere Werte als der städtische oder der intermediäre Raum auf. Die städtischen Werte haben bei der Einbürgerungsquote und der Wahlbeteiligung gegenüber dem Ausgangsjahr der Untersuchungsperiode markant abgenommen, bei den meisten anderen Kennzahlen liegen sie über dem Ausgangsniveau. Am allgemeinen sozialräumlichen Stadt-Land-Gefälle hat sich indes kaum etwas geändert.

Das beschriebene Stadt-Land-Muster findet sich nahezu deckungsgleich auf Agglomerationsebene. Bei den 8 oben genannten sozialräumlichen Kennzahlen mit städtischer Dominanz sowie zusätzlich bei der Leerwohnungsziffer zeigen die Agglomerationskerngemeinden höhere Ausprägungen als die Gürtelgemeinden und die übrigen Gemeinden ausserhalb der Agglomeration. Bei den Regionalen Entwicklungsträgern (RET) ist hingegen in der Gesamtbetrachtung der 12 untersuchten Kennzahlen kein klares Raummuster bezüglich der sozialräumlichen Unterschiede erkennen. Dazu sind die Gemeinden innerhalb der vier RET des Kantons Luzern untereinander zu heterogen.

Gemeindeunterschiede nehmen tendenziell zu

Allgemein sind die kommunalen Unterschiede in den verschiedenen Raumtypen grösser geworden. Darin unterscheidet sich die Entwicklung der sozialräumlichen Kennzahlen von derjenigen der raumwirtschaftlichen Kennzahlen, bei denen die Gemeindeunterschiede kleiner geworden sind.

Gemessen am Variationskoeffizienten weisen im städtischen Raum 6 von 12 sozialräumlichen Kennzahlen auf zunehmende Unterschiede zwischen den Gemeinden hin. Besonders markant ist das Auseinanderdriften der städtischen Gemeinden bei der Berufsbildung (Übertrittsquote in die berufliche Grundbildung), der Wahlbeteiligung sowie der Sozialhilfequote. Im intermediären Raum zeigt sich bei 4 Kennzahlen, dass sich die kommunalen Unterschiede im Betrachtungszeitraum vergrössert haben. Bei 8 Kennzahlen sind sie rückläufig. Eine überwiegende Zunahme der Gemeindedifferenzen ist im ländlichen Raum zu konstatieren. Die Variationskoeffizienten weisen für 7 Kennzahlen steigende und für 5 Kennzahlen abnehmende kommunale Disparitäten aus.