Regionale Disparitäten 2020

Raumwirtschaftliche Unterschiede im Kanton Luzern

Regionale Disparitäten sind ein Merkmal einer arbeitsteiligen Wirtschaft. Bereits im 19. Jahrhundert war unter anderem die Konzentration von Industriebetrieben in den Agglomerationsgemeinden mit ein Grund für eine regional unterschiedliche Wirtschaftsentwicklung im Kanton Luzern. Heute positionieren sich die Gemeinden und Regionen auch im nationalen und internationalen Standortwettbewerb.

Wie gestaltet sich die Raumnutzung für Siedlungs-, Wohn- und Arbeitszwecke? Wie verteilen sich wirtschaftliche Aktivitäten und Ressourcen zwischen den Luzerner Regionen und Gemeinden? Lassen sich spezifische räumliche Verteilungsmuster ausmachen? Sind die Gemeinden und Regionen untereinander homogener geworden, das heisst, haben sie sich angeglichen? Oder sind die Unterschiede grösser geworden? Diesen Fragen wird anhand einer Auswahl von Kennzahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung nachgegangen.

 

Ausgeprägtes raumwirtschaftliches Stadt-Land-Gefälle

Die raumwirtschaftlichen Unterschiede sind durch ein ausgeprägtes Stadt-Land-Gefälle gekennzeichnet. Im Kanton Luzern sind der Landwirtschafts- und der Industriesektor bis heute vergleichsweise stark vertreten. Die Gemeinden des städtischen und des intermediären Raums heben sich durch die hohe Beschäftigungsdichte und den hohen Beschäftigungsanteil im Dienstleistungssektor hervor. Diese räumliche Konzentration von Beschäftigung ist – im Allgemeinen – der Ausdruck eines wirtschaftlichen Strukturwandels, bei dem der Anteil des 3. Wirtschaftssektors vor allem in den Städten überproportional stark zunimmt. Allerdings ist auch die Arbeitslosigkeit in den städtischen Kerngemeinden höher als im restlichen Kantonsgebiet, was sozialpolitisch unerwünscht ist. Aus wirtschaftlicher Perspektive ist es Ausdruck eines Ungleichgewichts zwischen Angebot an Arbeitskräften (z.B. bzgl. der Qualifikation) und Nachfrage (Arbeitsplätze und offene Stellen).

Das Stadt-Land-Muster findet sich in etwas abgeschwächter Ausprägung auch beim Vergleich auf Agglomerationsebene. Die wirtschaftliche Aktivität findet vor allem im städtischen Agglomerationszentrum statt, während vermehrt im (intermediären/ländlichen) Umland gewohnt wird. Wohngegenden sind allgemein durch eine tiefe Beschäftigungsdichte charakterisiert. Der ländliche Raum und die Gemeinden ausserhalb der Agglomeration Luzern weisen beim Pro-Kopf-Siedlungsflächenverbrauch die höchsten Werte aus. Dies geht häufig einher mit einem vergleichsweise schwachen – mitunter auch negativen – Bevölkerungswachstum in diesen Gemeinden. Die bevölkerungsmässig wachstumsstärkeren städtischen Kerngemeinden zeigen hingegen deutlich tiefere Werte beim Siedlungsflächenkonsum pro Kopf.

Insgesamt sind im jüngsten Beobachtungsjahr im Vergleich der Raumtypen für 5 der 8 analysierten Kennzahlen aus dem Wirtschaftsbereich die Werte des städtischen Raums am höchsten. Neben dem Bevölkerungswachstum, der Beschäftigtendichte, dem Dienstleistungssektor und der Arbeitslosigkeit weist auch das vergleichsweise hohe Einkommensniveau auf die wirtschaftliche Stärke des städtischen Raums hin. Mit Ausnahme des Pro-Kopf-Siedlungsflächenverbrauchs sind bei allen anderen analysierten Kennzahlen die Werte des ländlichen Raums am niedrigsten. «Typgerecht» in der Zwischenposition zwischen Stadt und Land platzieren sich in den meisten Fällen die Werte des intermediären Raums. Die Gemeinden dieses Raums weisen sowohl städtische als auch ländliche Charakteristika auf. Einzig die Wohnungsneubautätigkeit übertrifft in den intermediären Gemeinden jene auf dem Land oder in den städtischen Gemeinden. Auch dies ist ein Hinweis auf die Beliebtheit des Umlands der wirtschaftlich starken Stadtzentren als Wohnort, namentlich des Agglomerationsgürtels.

In der Gesamtbetrachtung der raumwirtschaftlichen Disparitäten nach unterschiedlichen Raumtypen sind die Gemeindeunterschiede zwischen den Regionalen Entwicklungsträgern am wenigsten deutlich erkennbar. Doch auch bei diesem Raumtyp lassen sich Tendenzen und Trends beobachten: Die eher städtisch geprägten RET LuzernPlus und Sursee-Mittelland zeigen Gemeindehöchstwerte bei der Beschäftigung im Dienstleistungssektor, beim Bevölkerungswachstum und verfügbaren Einkommen, aber auch bei der Höhe der Arbeitslosigkeit. Hingegen weisen die eher ländlich geprägten RET IdeeSeetal und Luzern West im Nordosten sowie im Westen des Kantons (analog dem ländlichen/intermediären Raum) die höchsten Werte beim Siedlungsflächenverbrauch und bei der Wohnbautätigkeit auf.

Vor allem im städtischen Raum werden Gemeindeunterschiede kleiner

Wie haben sich die Unterschiede zwischen den Gemeinden in den verschiedenen Raumtypen entwickelt? Am stärksten verringert haben sich die kommunalen Unterschiede im städtischen Raum. Die städtischen Gemeinden sind bei 7 der analysierten Kennzahlen näher zusammengerückt. Lediglich bezüglich des Äquivalenzreinvermögens sind die städtischen Gemeinden im Lauf der Zeit auseinandergedriftet.

Auch die intermediären Gemeinden sind während des betrachteten Zeitraums näher zusammengerückt. Für 5 Kennzahlen sind abnehmende und für 3 Kennzahlen zunehmende regionale Disparitäten festzustellen. Auffallend ist, dass im intermediären Raum sowohl bei der Zunahme (z.B. Beschäftigungsdichte) als auch bei der Abnahme der Disparitäten (z.B. Arbeitslosigkeit) besonders starke Veränderungen der Streuungswerte (Variationskoeffizienten) zu verzeichnen sind. Das heisst, dass die Gemeinden im intermediären Raum sich im Zeitverlauf entweder sehr stark voneinander entfernen (z.B. bei der Arbeitslosigkeit) oder sich sehr stark einander annähern (z.B. bei der Beschäftigungsdichte).

Im ländlichen Raum ist das Bild weniger klar. Hier sind die kommunalen Unterschiede im Laufe der Zeit bei 4 Kennzahlen angestiegen (Siedlungsflächenverbrauch, Wohnbautätigkeit, Beschäftigungsdichte und Reinvermögen) und bei 4 Kennzahlen rückläufig (Bevölkerungswachstum, Beschäftigung im Tertiärsektor, Arbeitslosigkeit, Einkommen).