Finanzielle Situation der Luzerner Haushalte 2019

Erhöhte Armutsquoten in städtischen Gebieten

Gemäss den neusten verfügbaren Zahlen für das Jahr 2019 beträgt der Anteil der Luzerner Bevölkerung in Privathaushalten, deren Erwerbseinkommen, Sozialversicherungsleistungen oder Vermögen nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts gemäss SKOS-Richtlinien ausreicht, 7,6 Prozent (Armutsquote vor Sozialtransfers). Damit hat sich die Quote gegenüber dem Vorjahr nicht verändert. Durch die Ausrichtung bedarfsabhängiger Sozialleistungen – wie etwa der wirtschaftlichen Sozialhilfe, den Ergänzungsleistungen zur AHV/IV oder der individuellen Prämienverbilligung zur obligatorischen Krankenversicherung – verringert sich dieser Anteil auf 3,5 Prozent (Armutsquote nach Sozialtransfers). Auch diese Quote bleibt gegenüber dem Vorjahr stabil. Über die Hälfte der Armutsbetroffenen – rund 16′600 Luzerner/innen – werden also mithilfe bedarfsabhängiger staatlicher Unterstützung über die Armutsgrenze hinausgehoben. Seit dem Jahr 2010 ist die Armutsquote vor Sozialtransfers (2010: 7,5%) leicht angestiegen. Die Armutsquote nach Transfers wiederum hat leicht abgenommen (2010: 3,7%).

Armutsbekämpfung bei den Über-64-Jährigen am wirksamsten

Das Armutsrisiko wird massgeblich von der Haushaltssituation bestimmt. Kinder und Jugendliche sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt – aber nicht generell, sondern wenn sie im Haushalt eines alleinerziehenden Elternteils leben. In Ehepaarhaushalten mit Kindern ist die Armutsquote vor Transfers (6,1%) nur geringfügig höher als bei kinderlosen Ehepaarhaushalten (unter 65 Jahren: 5,3%). Bei den Konkubinatspaaren liegt die Differenz zwischen den Haushalten mit und ohne Kinder um einiges höher (7,2 vs. 3,6%). Die entsprechende Quote Alleinerziehender und ihrer Kinder ist mit 26,8 Prozent um ein Vielfaches höher und mit Abstand die höchste aller Haushaltstypen. Ein Grund hierfür liegt in der erschwerten Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Alleinerziehenden.

Die anteilmässig stärkste Armutsreduktion erwirken die bedarfsabhängigen Sozialleistungen bei Personen im Rentenalter. Deren Armutsquote ist schon vor Sozialtransfers die tiefste aller Haushaltstypen und bleibt auch die tiefste nach Sozialtransfers: Mehr als 4 von 5 Armutsbetroffenen im Alter über 64 Jahren in Einzel- oder Paarhaushalten überschreiten mithilfe von Sozialleistungen die Armutsschwelle. Die Armutsquote nach Sozialtransfers liegt bei Paarhaushalten im Rentenalter bei 0,6 Prozent (Ehepaar) bzw. 0,4 Prozent (Konkubinatspaar). Bei den Einpersonenhaushalten im Rentenalter sinkt die Armutsquote von überdurchschnittlichen 11,1 Prozent vor Sozialtransfers auf niedrige 1,8 Prozent nach Transfers.

Sozialhilfe mehrheitlich für die Überschreitung der Armutsgrenze verantwortlich

Bei Personen, die mithilfe bedarfsabhängiger Sozialleistungen die Armutsschwelle überschreiten, ist zu 50 Prozent die wirtschaftliche Sozialhilfe (WSH) dafür ausschlaggebend. Zum Zug kommt die WSH insbesondere bei sozialen Risiken ohne spezifische sozialstaatliche Absicherung. Ergänzungsleistungen (EL) werden an Personen im Rentenalter und an Menschen mit Behinderung ausgerichtet, sofern die Sozialversicherungsleistungen von AHV und IV zur Deckung des Lebensbedarfs nicht ausreichen. EL sind in 35 Prozent aller Fälle ausschlaggebend für die Überschreitung der Armutsschwelle; bei Rentnerhaushalten sogar in 99 Prozent (Einpersonenhaushalte und Ehepaare) der Fälle. Bei Konkubinatspaaren in Rentnerhaushalten liegt der Anteil mit 66 Prozent deutlich tiefer. Hier ist die WSH immer noch in 33 Prozent der Fälle ausschlaggebend. Insgesamt erfolgt die staatliche Armutsbekämpfung bei älteren Personen aber grossmehrheitlich über die EL.

Auch bedarfsabhängige Sozialleistungen, die nicht primär der Armutsbekämpfung dienen, sondern den Zugang zur Grundversorgung (wie Bildung oder Gesundheitswesen) sichern, tragen – quasi als positiver Seiteneffekt – zur Existenzsicherung bei. So ist die individuelle Prämienverbilligung (IPV) zur obligatorischen Krankenversicherung im Kanton Luzern in 11 Prozent der Fälle insgesamt ausschlaggebend dafür, dass die Armutsschwelle überschritten werden kann. Wesentlich höher ist dieser Anteil mit 30 Prozent bei armutsbetroffenen Personen in Ehepaarhaushalten mit Kindern. Ohne staatliche Verbilligung würden also 3 von 10 dieser betroffenen Ehepaare mit Kindern aufgrund der Ausgaben für die obligatorische Krankenversicherung unter die Armutsschwelle fallen. Das sind in absoluten Zahlen ausgedrückt knapp 1'300 Haushalte. Bei den Ausbildungsbeiträgen ist die direkt armutsverringernde Wirkung mit 1 Prozent vergleichsweise gering. Dies ist insofern nicht überraschend, als erstens deren Zielgruppe eingeschränkt ist und zweitens diese Sozialleistung nicht in erster Linie die Armut bekämpfen, sondern den Zugang zur Bildung sicherstellen soll. Bildung ihrerseits vermindert das Armutsrisiko nachhaltig, wie zahlreiche Studien belegen. Ausbildungsbeiträge tragen also zur Armutsprävention bei.

Bei Bezüger/innen mehrerer bedarfsabhängiger Sozialleistungen gilt diejenige Leistung als ausschlaggebend für die Überwindung der finanziellen Armut, die als letzte zum Einsatz kommt. Wenn beispielsweise ein armutsbetroffener Haushalt eine individuelle Prämienverbilligung zur obligatorischen Krankenversicherung erhält, diese jedoch nicht ausreicht und der Haushalt deshalb zusätzlich mit wirtschaftlicher Sozialhilfe unterstützt wird, so ist es die zweite, nachgelagerte Leistung, die es den Betroffenen möglich macht, die Armutsschwelle zu überschreiten.

Besonders hohe Armutsquoten in städtischen Gebieten

Wird die Armutsquote nach Altersgruppen betrachtet, zeigt sich, dass das Alter einen erheblichen Einfluss auf das Armutsrisiko haben kann. Bei den 0- bis 17-Jährigen lag die Quote vor Transfers 2019 bei 10 Prozent. Bei den 18- bis 64-Jährigen lag sie mit 7,5 Prozent leicht unter der kantonalen Quote (7,6%). Die 65-Jährigen und Älteren wiesen mit 5,4 Prozent die tiefste Quote auf. Die hohe Armutsquote der Minderjährigen ist hauptsächlich auf deren Haushaltsstruktur zurückzuführen. Sie sind nämlich dann einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt, wenn sie Teil eines Alleinerziehendenhaushalts sind (siehe Ausführungen oben). Nach Sozialtransfers belaufen sich die Quoten bei den drei Gruppen aufsteigenden Alters auf 4,4, 3,9 und 0,9 Prozent.

Insgesamt weisen auch die Regionen unterschiedliche Armutsquoten auf – je nachdem, ob eine Umgebung eher urban oder ländlich geprägt ist. Die Wohngemeinden können anhand der Stadt/Land-Typologie nach Dichte-, Grösse- und Erreichbarkeitskriterien in die drei Kategorien städtisch, ländlich und intermediär eingeteilt werden. Die Stadt/Land-Typologie zeigt, dass vor Erhalt von bedarfsabhängigen Sozialleistungen in städtischen Gebieten jede 10. Person von Armut betroffen ist. In intermediären und ländlichen Gebieten trifft dies auf rund jede 20. Person zu. Bei Minderjährigen liegt die Armutsquote vor Sozialtransfers mit 13,8 Prozent in den städtischen Gebieten am höchsten. In den intermediären und ländlichen Gebieten liegt sie bei deutlich tieferen 7,1 bzw. 6,1 Prozent. Auch bei den älteren Altersgruppen liegt die Armutsquote vor Transfers in den städtischen Gebieten am höchsten. Die deutlich erhöhten Armutsquoten in den städtischen Gebieten lässt sich unter anderen durch strukturelle Bedingungen erklären. Denn vor allem Alleinerziehenden- und Einpersonenhaushalte, welche allgemein ein überdurchschnittliches Armutsrisiko aufweisen, sind in den städtischen Gebieten verhältnismässig häufig anzutreffen.

Wird die Armutsquote nach Sozialtransfers nach Gebietstypen betrachtet, zeigen sich einerseits Gemeinsamkeiten und anderseits Unterschiede. Gemeinsam haben die drei Gebietstypen, dass durch die Entrichtung von Sozialleistungen die Zahl der Armutsbetroffenen bei der Altersgruppe der Über-64-Jährigen verschwindend klein wird. Dies ist hauptsächlich auf die Ergänzungsleistungen zurückzuführen. Die Entrichtung der Transferzahlungen führt somit zu einer Angleichung dieser Altersgruppe zwischen den Regionen: Vor Transfers lag die Quote bei den Über-64-Jährigen in städtischen Gebieten noch deutlich höher als in den anderen beiden Gebieten. Bei den beiden anderen Altersgruppen bleiben die Unterschiede zwischen den Gebietstypen auch nach Transfers bestehen: Bei den 0- bis 17-Jährigen (5,7%) und den 18- bis 64-Jährigen (5,1%) ist die Quote in städtischen Gebieten auch nach Transfers höher als in den intermediären (3,3 und 2,7%) und den ländlichen Gebieten (3,3 und 2,6%). Die Differenz zwischen den Gebietstypen reduziert sich jedoch durch die Sozialleistungen. So verbleibt bei den Minderjährigen und den Personen im Erwerbsalter in städtischen Gebieten auch nach Sozialtransfers gut jede 20. Person unter der Armutsschwelle. Die weiter oben genannten strukturellen Unterschiede zwischen den Gebietstypen bezüglich Haushaltstypen, welche die Armutsquote in städtischen Gebieten generell anhebt und sich hier insbesondere bei den Minderjährigen zeigt, bleiben somit auch nach der Ausrichtung bedarfsabhängiger Sozialleistungen bestehen.

Weiterführende Informationen zu finanzieller Armut und Armutsbekämpfung finden sich in:

Autor: David von Holzen / 12. Oktober 2022

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